Nordelbe, SAGA und Co. – Mieter*innen wehren sich gegen illegale Tricks

Es ist weithin bekannt, dass Vermieter*innen systematisch auch illegale Methoden anwenden, um Mieter*innen auszunehmen, zu kontrollieren und klein zu halten. Dagegen wehren sich bei Wilhelmsburg Solidarisch gemeinsam Nachbar*innen.

Mieter*innen haben es in Wilhelmsburg nicht leicht. Überhaupt eine Wohnung oder ein Zimmer zur Untermiete zu finden ist schwierig genug. Für viele ist das nur möglich, wenn sie Mieten in Kauf nehmen, die eigentlich viel zu teuer sind. Denn in den letzten Jahren sind zwar die Mieten ordentlich angestiegen, die Löhne aber nicht. Das geht auf Kosten des Urlaubs, des Zahnersatzes oder des Schwimmbadbesuchs und ist einer der Gründe dafür, warum arme Menschen durchschnittlich 10 Jahre kürzer leben als Reiche. Das Angebot an Mietwohnungen, die für Menschen mit geringen Einkommen überhaupt noch bezahlbar wären, schrumpft immer weiter. Weil tausende Wohnungen aus den Sozialbindungen gefallen sind. Weil die Einwohner*innenzahl in Hamburg und insbesondere auch in Wilhelmsburg stark gewachsen ist. Und weil das Neubauprogramm des Hamburger Senats zu zwei Dritteln teure Miet- und Eigentumswohnungen vorsieht, in Hamburg aber rund die Hälfte aller Bewohner*innen Anrecht auf geförderten Wohnraum hätten.

Angesichts dieser Situation glauben viele Vermieter*innen, sich alles erlauben zu können, um ihre Einnahmen zu steigern. Es werden horrende Preise genommen, im Reiherstiegviertel oder Bahnhofsviertel sind 10 Euro netto kalt – und mehr – keine Seltenheit. Und auch das Mietrecht ist vielen Hauseigentümer*innen offenbar ziemlich egal. Beispiele dafür gibt es zuhauf, auch bei Genossenschaften und SAGA, die einen „sozialen“ Ruf haben.

Die Vermietungspraxis der stadteigenen SAGA zeigt, dass die Verdrängung der Armen und Menschen mit tatsächlichem oder unterstelltem Migrationshintergrund zur offiziellen Politik des SPD geführten Senats gehört. Erst im März 2017 wurde sie zu 1.000 EURO Entschädigung verurteilt, weil sie eine Frau wegen ihres türkisch klingenden Nachnamens abgelehnt hatte. Vor Gericht machte die SAGA klar, dass sie bestimmen will, in welche Gegenden arme Menschen oder Menschen mit ausländisch klingendem Nachnamen ziehen dürfen – und in welche nicht. In den offiziellen Verlautbarungen heißt diese Politik der Verdrängung „soziale Durchmischung“. Mit dieser Praxis sollen gezielt weiße Gutverdienende in Stadtvierteln angesiedelt werden, in denen hauptsächlich Geringverdiener*innen leben. Selbstverständlich werden im Gegenzug keine Ausweichwohnungen in Eppendorf zur Verfügung gestellt. Die Zukunftsvision hinter dieser Politik lautet: Arme Menschen sollen die schlecht bezahlten Jobs in der Stadt machen, aber nicht in der Stadt wohnen.

SAGA: Untervermietung nur nach Vorstellungsgespräch? Unrechtmäßig!

So erklärt sich auch weshalb Untermieter*innen sich neuerdings persönlich auf der SAGA-Geschäftsstelle vorstellen sollen – das ist rechtlich völlig unnötig und dient einzig dazu, zu kontrollieren und Macht auszuspielen. In den uns bekannten Fällen, reichte ein Verweis auf die Gesetzeslage um die SAGA davon zu überzeugen von ihrer Forderung Abstand zu nehmen.

Die Vermietungspolitik der Nordelbe jedoch, die wir bei Wilhelmsburg Solidarisch in den letzten Monaten mitbekommen haben, setzt dem Ganzen die Krone auf. Und dagegen wehren sich Mieter*innen nun gemeinsam.

Nordelbe: 155 Euro „Vertragsabschlussgebühr“, drei Monatsmieten Kaution auf einen Schlag, befristete Untervermietung? Alles unrechtmäßig!

Die Nordelbe ist eine der größten Vermieterinnen in Wilhelmsburg. Ihr gehört ein großer Bestand an der Harburger Chaussee, aber auch im Reiherstiegviertel vermietet sie Wohnungen. Aktuell etwa eine 50 m² große Wohnung in der Fährstraße für 590 Euro kalt – das sind satte 12 Euro pro Quadratmeter plus Nebenkosten. Solche Preise nimmt zwar auch die Vonovia (Ex-GAGFAH) im Bahnhofsviertel, aber selbst die ist unseres Wissens nach noch nicht auf die Idee gekommen, von allen Neumieter*innen eine sogenannte „Vertragsabschlussgebühr“ zu kassieren. Für die Ausfertigung eines Mietvertrags verlangt die Nordelbe 155 Euro extra – vollkommen illegal. Hier spielt sie ihre Macht als Hauseigentümerin konsequent aus. Sie weiß, dass Menschen dringend auf Wohnungen angewiesen sind und notgedrungen die Gebühr zahlen. Auch verlangt die Nordelbe die erste Warmmiete und drei Kaltmieten als Kaution, bevor sie die Schlüssel übergibt – für viele Menschen ist es ein Problem, so viel Geld auf einmal aufzutreiben. Aber die Nordelbe weigert sich entgegen dem Mietrecht, dass die Kaution in drei Teilen über drei Monate bezahlt wird. Untervermietungen genehmigt die Nordelbe immer nur befristet auf sechs Monate. Auch dieses Vorgehen ist unrechtmäßig. Untermietgenehmigungen gelten automatisch unbefristet und sind an die Laufzeit des Hauptmietvertrags gekoppelt. Dennoch versucht die Nordelbe Kontrolle auszuüben und Mieter*innen einzuschüchtern – es steht ja immer die Verlängerung der Untermieterlaubnis auf dem Spiel, wenn es zu Konflikten kommt.

Die Nordelbe arbeitet gezielt mit der Unwissenheit und der vermeintlichen Unfähigkeit der Mieter*innen, ihre Rechte durchzusetzen. Doch allein „im Recht“ zu sein reicht nicht – wir müssen das Mietrecht durchsetzen, denn sonst hält sich wohl kaum ein Vermieter daran.

Gemeinsame Aktionen gegen die Tricks von Nordelbe und SAGA

Deshalb haben sich Mieter*innen der Nordelbe und andere Bewohner*innen Wilhelmsburgs nun entschlossen, sich gemeinsam zu wehren. Wir treffen uns bei Wilhelmsburg Solidarisch regelmäßig, um Konflikte um Mieten, aber auch um Arbeitsverhältnisse oder das Jobcenter zu beratschlagen und gemeinsam anzugehen. Ab Januar werden wir im Viertel unterwegs sein und mit Flugblättern über die illegalen Praktiken informieren und Wege aufzeigen, wie wir uns gemeinsam wehren und beispielsweise das Geld von der Nordelbe zurückholen können. Alle, die dabei mitmachen wollen, finden die Termine auf solidarisch.org.

Dieser Artikel erschien am 18. Januar im Wilhelmsburger InselRundblick.
Auch die taz berichtete über unsere Aktionen unter dem Titel „Ein Wohungsunternehmen zockt ab“.


Musterbriefe

• Nordelbe: Rückforderung der „Vertragsabschlussgebühr“
• Nordelbe: Keine Befristung der Untermietgenehmigung
• SAGA: Kein Vorstellungsgespräch des Untermieters


Flugblätter