Corona Newsletter Nr. 4

Liebe alle,
Hier der 4. Newsletter von Wilhelmsburg Solidarisch mit Infos zu aktuellen Neuregelungen in Zeiten von Corona vom 14.04.2020.
Wir haben uns bemüht, wichtige Neuerungen rauszusuchen, zu erläutern und mit Einschätzungen zu versehen. U.a. deshalb, weil derzeit ständig Artikel geteilt werden, in denen suggeriert wird, alles und alle seien abgesichert und unter „dem Schutzschirm“. Wir wünschen uns einen kritischen Umgang mit diesen News, meist haben die neuen Regelungen Fallstricke und Ausschlüsse.
Diese Infos stellen den aktuellen Stand dar und können sich dementsprechend wieder ändern, wie zur Zeit alles in Veränderung ist.
Schickt uns gerne Links zu neuen (gesicherten) Erkenntnissen rund um Geld, Sozialgesetzen und Co. Auch Fragen die euch bewegen sind gern willkommen. Fragen und Links an: solidarisch@riseup.net
Denkt auch daran, dass St. Pauli Solidarisch und wir in Zukunft online Anlaufpunkte abhalten. Wenn ihr Menschen kennt, die nicht an Online-Veranstaltungen teilnehmen können, setzt uns bitte darüber in Kenntnis (über die Email oben), damit wir eine Lösung finden. Keine*r bleibt allein – Die Körper nicht die Herzen sollen distanziert sein!

Inhaltsübersicht
• Soforthilfen: Trotz Hartz Antrag stellen
• Hartz 4: Hartz IV trotz Unterhaltspflicht der Eltern?
• Minijobs: Mehr Verdienst möglich
• Vorstellen der WiSo AG Mieten / Flyer für die Nachbarschaft
• Rubrik: Was passiert eigentlich gerade noch so
• Was wir anders haben wollen!

 

1) Soforthilfen: Trotz Hartz Antrag stellen
Update: Zuschüsse vom Staat für Selbstständige
In den Regelungen für die Zuschüsse für Selbstständige gibt es einen Passus der besagt, dass Leute keine Hilfen bekommen können, wenn sie in der Zeit von Dezember 19 bis zum 11. März Hartz IV bezogen haben.
Wir haben bei der IFB angerufen und die Mitarbeiterin meinte, man solle trotzdem den Antrag stellen und die Notlage in den Freifeldern gut begründen. Die Sachbearbeiter_innen hätten einen großen Ermessensspielraum bei der Entscheidung. Es gibt dann immernoch den Widerspruch das man ein Häkchen setzen muss mit dem man erklärt, dass man keine Leistungen bezogen hat, allerdings klärt man dies im Freitext auf.
Wir freuen uns über Erfahrungsberichte

2) Job verloren, aber noch in Unterhalt der Eltern? Ist Hartz IV möglich?
Viele junge Erwachsene unter 25 haben gerade ihre Einkommen verloren und fragen sich, ob sie Hartz IV beantragen können, wenn ihre Eltern noch unterhaltspflichtig sind. Das gilt zb für Menschen, deren Bafög nicht gereicht hat, die nicht Bafög berechtigt sind oder von den Eltern nur wenig oder kein Geld bekommen.
Sofern ihr mit euren Eltern im Streit seid, kann das Jobcenter Euch nicht zwingen, zu Euren Eltern zu ziehen.
Nicht zahlen müssen Eure Eltern, wenn sie kein Vermögen oder großes Einkommen haben und der Unterhaltspflicht nicht nachkommen können.
Vermutlich sind die U 25 eine Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern. Was aber, wenn sie schon längst getrennt von diesen Wohnen, aber vielleicht monatlich n hunderter von ihnen bekommen, gearbeitet haben, nun aber diese Jobs verloren haben.
Um ehrlich zu sein, fehlt uns gerade das Wissen, wie die normalen Regelungen zu Hartz IV sind für unter 25-Jährige, deren Eltern unterhaltspflichtig sind. Wir haben jetzt zwei Stunden recherchiert und haben es immer noch nicht rausgefunden. Interessant ist, ob die unter 25-Jährigen, die ggf. in letzter Zeit etwas Geld von Eltern erhalten haben, nun aber ihre Jobs los sind, eigenständiges Hartz IV beantragen können. Da wir inzwischen k.o. sind, freuen wir uns, wenn ihr dieses Wissen habt und teilt.

3) Mini Jobs:
Im Minijob gibt es die Möglichkeit, in Ausnahmefällen unbegrenzt mehr Geld in der Minijobregelung zu verdienen. Dies ist regulär auf maximal 3 Monate im Jahr begrenzt. Nun ist das für die Zeit von März bis Oktober ausgeweitet. Menschen können in dieser Zeit mehr Geld dazuverdienen. Einerseits bestimmt für Leute gut, andererseits bedeutet das, dass die Prekarität der nicht krankenversicherten Minijobs ausgedehnt ist.

4) Vorstellen der WiSo AG Mieten / Flyer für die Nachbarschaft
Auf unserem letzten physischen Treffen, als die ersten von uns schon in Kurzarbeit mussten oder ihnen Jobs wegfielen, haben wir angefangen, uns darüber auszutauschen, wie wir es durchsetzen können, unsere Mieten zu reduzieren. Wir haben überlegt, wie wir uns mit unseren Nachbar_innen gemeinsam organisieren können, um die Mieten gemeinsam gesenkt zu bekommen. Am liebsten für alle (und dauerhaft!), mindestens aber für diejenigen, denen gerade Geld wegfällt. Egal, ob du sofort damit an deine Grenze kommst und mit der Miete in den Rückstand oder ob Du noch die Möglichkeit hast, Dir irgendwo was abzusparen. Irgendwo ist die Grenze erreicht, sich derart zu stressen, die Miete noch irgendwie zahlen zu können. Stundungen sind für uns keine Lösung!

Wir haben daraufhin eine AG WiSo-Mieten gegründet. Bisher haben wir von allen Vermieter_innen nur Neins auf die Verhandlungen nach Mietsenkungen erhalten. Wir wollen die kommende Zeit beobachten und überlegen, wie wir gemeinsam doch etwas durchsetzen können.
Eine Frage dabei ist, erstmal mit Nachbar_innen ins Gespräch zu kommen, wie deren finanzielle Situation und deren Interesse an Verhandlungen mit Vermieter_innen aussieht. Wenn ihr auch mit Euren Nachbar_innen sprechen wollt, könnt ihr gern diesen Gesprächsleitfaden nutzen.

Zusätzlich wollen wir gern Nachbar_innen sagen, dass sie nicht allein mit ihrem Scheiß sind und haben Flyer erstellt (viersprachig), die an Haustüren geklebt werden können. Die Flyer können im Infoladen oder bei Black Ferry (jeweils zu den Öffnungszeiten) abgeholt oder gern selbst kopiert werden.

Wer Interesse hat, sich zu dem Thema Mieten gemeinsam auszutauschen, kann das an solidarisch@riseup.net schreiben. Derzeit gibt es eine Mailliste und wöchentliche Online Treffen.

5) Rubrik: Was passiert eigentlich gerade noch so:
• a) Es gab erste Berichte, dass Azubis unter Bezugnahme auf die aktuelle wirtschaftliche Situation gekündigt wurden. Das kann ggf. Menschen betreffen, die eine Ausbildungsduldung (vermutlich hart erkämpft) haben und denen nun nicht nur die Ausbildung wegfällt, sondern ggf. der Aufenthalt in Frage steht. Wer eine Ausbildung verliert, hat normalerweise 6 Monate Zeit, sich eine neue zu suchen, bevor die daran gekoppelte Duldung in Gefahr ist. Anwält_innen fordern, dass diese Frist verlängert wird. Gemeint ist hier der Aufenthalt nach §25a für sogenannte „gut integrierte Jugendliche“.
• b) Auch gab es Berichte, dass verschiedene Vermieter_innen (vermutlich wegen der Wohnungsbesichtigungen) mit dem Argument Corona keine Vermietung an Dringlichkeitsfälle nachen, oder nur an Mitglieder, manche vermieten komplett bis Jahresende gar nicht neu!
• c) In Hamburg sind Anwält_innen gerade dabei, die Möglichkeit, sich legal zu versammeln durchzuklagen. Wir informieren weiter.

6) Was wir anders haben wollen:
• a) Wenn das Kurzarbeitsgeld (Kug) unter dem Hartz IV Satz ist, muss es möglich sein hinzuzuverdienen.
• b) Kug muss auch für Leute gelten, die einen 450 Euro Job hatten, statt dass ihnen dieser gekündigt wird.
• c) Für alle Geflüchteten in Unterkünften muss die Wohnsitzauflage entfallen sowie die Regelung, wie lange sie im Camp zu bleiben haben! Außerdem sollen die Menschen eine Arbeitserlaubnis bekommen um die Möglichkeit zu nutzen, zB im Supermarkt zu arbeiten. Wenn Leute das versuchen wollen, müssten sie mit konkreten Jobangeboten eines Supermarktes zur Ausländerbehörde gehen und die Arbeitserlaubnis für diesen konkreten Job beantragen. Dann erhalten sie, falls das durchgeht, vermutlich befristet für diesen konkreten Job eine Arbeitserlaubnis. Im Anschluss sollten wir versuchen, von der Ausländerbehörde dazu eine generelle Regelung zu bekommen. Falls Menschen das machen wollen, können sie sich gern an uns oder das Café Exil wenden.

Lesetipps:
Blog corona@work. Betrieb und Gewerkschaft in Zeiten der Pandemie
Ein interessanter, aber längerer Artikel der Gruppe Blauer Montag zum „Notstand der Arbeitsgesellschaft“

Herzliche Grüße,
die Newsletter AG ;)