Wir haben beschlossen, den Newsletter zu einem News- und Debattenletter zu machen. Einerseits gibt es gerade nicht so viele Aktualisierungen zu sozialpolitischen Veränderungen, andererseits regen uns ein paar Dinge zum Denken und diskutieren an, die wir teilen wollen.
Schickt uns gerne Links zu neuen (gesicherten) Erkenntnissen rund um Geld, Sozialgesetzen und Co. Auch Fragen, die euch bewegen sind gern willkommen. Fragen und Links an: solidarisch@riseup.net. Ansonsten machen wir unsere Anlaufpunkte jeden 1. & 3. Mittwoch im Monat um 16:00, im Hof des Infoladens und online.
Inhalt:
Das neue Konjunkturpaket zu den Themen
Kurzarbeit
SGB II
Einmalzahlung für Kinder
Erhöhter Steuerfreibetrag Alleinerziehende
Investitionen in deutsche Rüstungsindutrie
Nelson Mandela Schule klagt für Laptops für Kinder im SGB II Bezug
Black Lives Matter (Bezug zu WiSo AG Konflikte lösen ohne Polizei und Demoaufrufe) sowie Video Link
Seit gestern ist das neue Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket der Bundesregierung beschlossen. Einige Punkte finden wir für Wilhelmsburg Solidarisch spannend. Nach zu lesen im Ganzen hier.
Was explizit nicht drin ist, sind Hilfen für Selbstständige und keine
Aufstockung des Hartz IV Bedarfs.
Unter dem Punkt „wirtschaftliche und soziale Härten abfedern“ finden
sich zwei Themen: Kurzarbeit und SGB II Leistungen.
„12. Das Kurzarbeitergeld bewährt sich wie schon in der Finanzkrise auch in der Corona bedingten Wirtschaftskrise. Wir werden bereits im
September im Lichte der pandemischen Lage eine verlässliche Regelung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ab dem 1.Januar 2021 vorlegen.“
Die Bundesregierung schätzt die soziale Bedingungen diametral anders ein als wir. Kurzarbeit habe sich bewährt. Das stimmt insofern als dass
einige sich über die gewonnene Zeit freuen und es ihnen entgegenkommt, nicht gekündigt zu sein. Andererseits unterliegt das KuG (Kurzarbeitsgeld) den Bedingungen der Arbeitsagentur, etwa was die Möglichkeit zum Zuverdienst betrifft. In jedem Fall bedeutet Kurzarbeit den Verlust von Einkommen, der nicht unbedingt durch Aufstockung oder Wohngeld ausgeglichen werden kann.
Der zweite Punkt ist folgender: „14.Der vereinfachte Zugang in die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wird über die bisherige Geltungsdauer hinaus bis zum 30.September 2020 verlängert.“
Wir widersprechen deutlich der Einschätzung, dass es einen
„vereinfachten Zugang“ gäbe. Wir wissen von mindestens vier Personen, wo genau dies nicht der Fall war, Anträge trotz klarer Ansprüche abgelehnt werden bzw. Leistungen plötzlich gestrichen wurden. (Deshalb gehen wir Dienstag gemeinsam zur Behörde, siehe Mail von gestern)
Unter des Punkt „Junge Menschen und Familien unterstützten“ finden sich zwei von uns widersprüchlich gesehene Punkte.
„26. Mit einem einmaligen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind für jedeskindergeldberechtigtes Kind werden die besonders von den Einschränkungen betroffenen Familien unterstützt.Dieser Bonus wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag vergleichbar dem Kindergeld verrechnet. Er wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet.“ (Fehler im Original)
Für viele Kinder, die von Hartz IV leben ist die Summe recht viel, ungleich ist ihre Auszahlung auch an alle reichen Familien, für die das Geld Peanuts ist. (Obwohl wir auch finden das eine unbürokratische Vergabe des Geldes sinnvoll ist.) Insgesamt wünschenswerter wäre eine Auszahlung staatlicher Gelder an die Kinder sowie eine Aufstockung des Mehrbedarfs von Hartz IV Empfänger_innen gewesen.
Auch werden immerhin ausnahmsweise Alleinerziehende bedacht: „29. Auf Grund des höheren Betreuungsaufwand gerade fürAlleinerziehende in Zeiten von Corona und den damit verursachten Aufwendungen wird befristet auf 2Jahre der Entlastungsbeitrag fürAlleinerziehendevon derzeit 1.908 Euro auf 4.000 Euro für die Jahre2020und2021angehoben und damit mehr als verdoppelt.“
Eine steuerliche Entlastung von Alleinerziehenden begrüßen wir durchaus. Es gibt aber auch viele Alleinerziehende, die gar nicht genug Geld verdienen, um von dieser Unterstützung zu profitieren. Auch hier scheint der blinde Fleck der Regierung für Hartz IV Bezieher*Innen durch.
Teil des Konjunkturprogrammes ist im übrigen neben der Autokauf Prämie auch folgender Punkt, der natürlich ein ungleich höheres kostet als die sozialen Pakete: „10. Der Bund wird in allen Bereichen prüfen, inwieweit geplante Aufträge und Investitionen jetzt vorgezogen werden können. Insbesondere sollen Digitalisierungsvorhaben in der Verwaltung, Sicherheitsprojekte sowie neue Rüstungsprojekte mit hohem deutschen Wertschöpfungsanteil, die noch in den Jahren 2020 und 2021 beginnen können, sofort umgesetzt werden.“
Unabhänging von den beschlossenen Hilfen ist die Nelson Mandela Schule gerade dabei, sich durch die Instanzen zu klagen, um zu erwirken, dass Kinder von Hartz IV Beziehenden Geld vom Amt für nötige Ausstattung zur Teilnahme am Onlineunterricht bekommen. (Meistens ein Laptop). Diese Anträge wurden natürlich alle erstmal abgelehnt. Die Sache liegt jetzt aber beim Sozialgericht. Beim nächsten Anlaufpunkt werden wir drüber reden.
Black Lives Matter
Wir sind wütend und traurig, dass die Cops, staatliche Strukturen und der gesellschaftliche Rassismus Tag für Tag mordet und krank macht. Ob in Hamburg an der Hafenstraße, der Schützenstraße oder in den Unterkünften, ob in Polizeizellen oder in den Geschäften, in denen der NSU mordet. Ob auf den Straßen oder in den Schulen der USA.
George Floyd wurde vor wenigen Tagen in den USA von einem Polizisten ermordet. Nur einen Tag später wurde auf der regelmäßigen Kundgebung der Gruppe Lampedusa in Hamburg an dem Ort ihrer Zeltes (das zu Anfang der Corona Zeit von den Cops gewaltsam abgebaut wurde) das erste Mal soweit wir wissen auf einer Kundgebung in der Corona Zeit tatsächlich zwei Schwarze der Gruppe aufgrund der Abstandregeln in Polizeigewahrsam gebracht. Ob das ein Solidaritätserklärung der Cops an ihre rassistischen Kollegen aus den USA war, kann nur gemutmaßt werden, in jedem Fall ist es eine klare Positionierung gegen die Schwarzen Aktivist_innen in Hamburg gewesen.
Dem staatlichen und auch dem gesellschaftlichen Rassismus entgegenzutreten ist allerdings eine Aufgabe von uns allen! Der City Council in Mineapolis hat die Forderung der Black Lives Matter Bewegung zur Abschaffung der Polizei aufgegriffen. Alternativ soll es lokale Konfliktlösungsmodelle geben. Ein viel diskutierter Ansatz ist das Konzept „transformative Justice“, das in Deutschland aus der parteilich-feministischen Arbeit bekannt ist. Tatsächlich gibt es seit einer Weile in Wilhelmsburg eine Gruppe, die versucht, solche Konzepte für’s Viertel zu erarbeiten. Der Weg ist noch weit, aber die Erfahrung, dass Polizei-rufen nicht zu Sicherheit, nachhaltigen Lösungen oder dem Gefühl, respektiert zu werden beiträgt, macht es unerlässlich, andere Formen der Konfliktlösung zu erarbeiten.
Ganz konkret kann Solidarität demonstriert werden, heute und morgen jeweils um 15:00. Unter dem Motto „Enough is Enough!“, also „Es reicht!“ gibt es heute eine Kundgebung vor der amerikanischen Botschaft und morgen eine auf dem Rathhausmarkt. Der Dresscode ist Schwarz und es wird gewünscht, dass schwarze Banner mitgebracht werden. Eingeladen wird von Lampedusa in Hamburg, Black Community Coalition for Justice and Selfdefence und Asmara’s World.
Wir haben noch eine Videoempfehlung zu diesem Thema: Ein Brennpunkt zum deutschen Rassismus von der Kebekus-Show der das sagt was ihn großen Medien zu oft verschwiegen wird.